Schweizerische Posttaxen - Zuschrift betreffend die Ortspost von 1849

Sehr geehrter Herr Schwarzenbach, 
mit Interesse habe ich in Ihrer Broschüre "Postgeschichte" den Artikel über die schweizerischen Posttaxen gelesen. 
Zu den angeblich 36 Orten, die die Erlaubnis zum Einrichten einer Orts-Taxe hatten, muss man sicher Vorbehalte anbringen. Und zwar sind diese bereits im Werk von Mirabaud und Reuterskjöld von 1898 umschrieben, indem dort nebst der Aufzählung der 36 Orte im Rundschreiben vom 5.4.1850 der PTT wörtlich aufgeführt ist: "Wir erwarten Ihre Vorschläge für den Fall, dass andere Ortschaften von einiger Bedeutung die Einführung von Briefmarken beantragen sollten."

Es ist zweifellos so gewesen, dass Geschäftsleute und vielleicht auch Private sich nicht damit abfinden wollten, dass in einem grösseren Ort ein Orts-Brief lediglich 2½ Rappen, im Nachbarort jedoch 5 Rappen kosten sollte. Denn 2½ Rappen waren damals unvergleichlich viel kaufkräftiger als heute!

In meinen eigenen Unterlagen und derzeitigen Beständen habe ich nachgesehen und folgende Orte gefunden, die zweifelsfreie Orts-Briefe mit einer 2½ Rappen-Frankatur spediert hatten und die in diesen "36 Orten" nicht aufgeführt sind: (Frankaturen mit Orts-Post oder Poste Locale)

  • Diessenhofen
  • Ermatingen
  • Genf
  • Glarus
  • Rheinfelden
  • Unterseen
  • Villeneuve

Einzelfrankatur Orts-Post von Unterseen nach Interlaken

Daneben habe ich eine ganze Menge von Ortschaften gefunden, die diese Poste Locales- oder Orts-Post-Marken auch hatten und zweifelsfrei auch verwendeten. Jedoch liegen oder lagen mir davon keine Einzelfrankaturen vor, sondern:

a) Briefe mit Paaren oder grösseren Einheiten
b) Briefe mit Mischfrankaturen (mit Rayons)
c) lose Stücke oder lose Paare mit zweifelsfreien

Entwertungen (also z.B. Raute von Aigle oder Rundstempel oder sicher identifizierbare PPs, wie z.B. das rote PP von Bischofszell usw.) Da diese Orte diese Marken, die ja lediglich ein Orts-Porto decken sollten, nachgewiesenermassen auch erhalten hatten, ist anzunehmen, dass es auch davon Einzelfrankaturen geben dürfte. Denn dass diese Orts-Post- und Poste Locales-Marken lediglich für die an sich selten benötigten gebrochenen Frankaturen (überschwere Briefe) gebraucht worden wären, wird man nur schwerlich behaupten können. Lagen diese kleinsten Wertstufen einmal bei einer Poststelle vor, dürften sie wohl auch für den Orts-Rayon einzeln zur Abgabe gelangt sein. Denn von der PTT sind diesbezüglich ja keine Einschränkungen gemacht worden. Die 36 aufgeführten Orte waren lediglich jene, die zunächst beliefert worden waren. Andere konnten sich ja melden, was sicherlich der Fall gewesen ist.

Von folgenden Orten sind nun bei mir Frankaturen mit diesen Orts-Post- und Poste Locales-Marken in irgendeiner Form vorgekommen (nur Orte, die nicht unter jenen 36 und obigen 7 aufgeführt sind): Aarberg, Aarwangen, Aigle, Aux Bois, Bischofszell, Boudry, Buchholtersberg, Bülach, Corcelles, Cressier, Dietwyl, Dürrmühle, Eggiwyl, Erlach, Erlen, Erlenbach (ZH), Fraubrunnen, Hinweil, Kaltbrunnen, Kirchdorf, Kölliken, Langenthal, Langnau (BE), Liestal, Magadino, Martigny, Morat, Münsingen, Oberbrükken, Oberriet, Pfyn, Porrentruy, Rheineck, Romont, Rothenfluh, Saint-Blaise, St. Croix, Samen, Schachen, Schaennis, Schlosswyl, Sonceboz, Sumiswald, Töss, Uznach, Wallenstadt, Wangen (a. Aare), Wyl (SG), Yverdon, Zurzach. (Alphabetisch und meist in der damaligen Stempel-Schreibweise aufgeführt.)

An sich wäre es interessant, aus Ihrem Leserkreis alle bekannten Ortschaften einmal zusammenzutragen. Denn meines Wissens ist dies bis heute nirgends gemacht worden. Persönlich wäre ich daran interessiert, Meldungen über hier nicht aufgeführte Orte zu erhalten. Vor allem auch bezüglich der Beurteilung der Seltenheit ist diese Zusammenfassung wertvoll. Schon heute kann man sagen, dass etliche der ursprünglichen 36 Orte wesentlich seltener mit solchen Einzel oder auch Mehrfach- oder Mischfrankaturen zu finden sind, als andere, nicht aufgeführte und daher an sich "kleinere" Orte! Ebenso ist bekannt, dass gewisse - auch kleinere — Orte (bei mir z.B. Rheineck) sowohl Orts-Post-, wie auch Poste Locales-Marken hatten!

Ich wünsche Ihnen einen guten Erfolg mit Ihrer anspruchsvollen Zeitung und
grüsse Sie freundlichst: G. Honegger

© Schweizerische Vereinigung für Postgeschichte / SVPg