Die erste Briefmarken-Auktion der Welt

Etwa um das Jahr 1855 - bis zu diesem Zeitpunkt hatten die meisten Staaten ihre ersten Postwertzeichen verausgabt — wurde es Mode, diese bunten Papierchen zu sammeln. Wer als erster auf die Idee kam, Briefmarken zusammenzutragen, ist glücklicherweise unbekannt; dadurch bleiben der heutigen Sammlerwelt jegliche Sondermarken mit dem Portrait des "Erfinders der Philatelie" erspart

Anfang der sechziger Jahre erschienen fast gleichzeitig in Frankreich, Deutschland und England die ersten schmalen Sammelbücher zum Einkleben von Marken und ebenso die ersten Verzeichnisse aller bisher erschienenen Postwertzeichen, die Vorläufer unserer heutigen gewichtigen Alben und Kataloge

Allerdings handelte es sich bei diesen ersten Preiskatalogen nur um Verkaufslisten von Händlern. Die früheste von 1861 veröffentlichte ein Monsieur F.O. BergerLevrault in Strasbourg. Ein Jahr später folgte die Firma Tramburgs Erben in Hamburg und 1863 die Dürr'sche Buchhandlung in Leipzig. Wenn auch der Engländer Edward Stanley Gibbons erst 1865 seinen ersten Markenkatalog herausgab, so ist dieser im Hinblick auf seine Erscheinungsdauer der älteste Katalog der Welt, weil er noch bis zum heutigen Zeitpunkt alljährlich erscheint.

Bis zu Beginn der siebziger Jahre mussten sich die Sammler ihre fehlenden Marken - falls sie sie nicht im Tausch bekommen konnten - durch Kauf bei Händlern besorgen. Ein Erwerb auf Auktionen, wie er heutzutage üblich ist, war nicht möglich, da es noch keine Markenauktionen gab. Erst im Jahr 1872 veranstaltete die Firma Sotheby, Wilkinson & Hodge in London eine Briefmarkenversteigerung, die lange Zeit als die erste philatelistische Auktion der Welt angesehen wurde. Dass dies nicht zutrifft, haben erst kürzlich die Forschungen von Dr. Irwin Yarri ergeben

An einem regnerischen Samstagabend, am 28. Mai 1870, trafen sich die prominentesten Sammler von New York in den eleganten Räumen der namhaften Auktionsfirma Leavitt, Strebeigh & Co. Es handelte sich um ein einmaliges Ereignis, nämlich um die Zwangsversteigerung sämtlicher Markenbestände eines "bankrotten europäischen Händlers". Sein Name ist nicht überliefert, obwohl ein genauer Bericht über den Verlauf der Veranstaltung vorliegt.

Es kamen 269 Lose mit insgesamt 14000 Marken zum Verkauf. Genau wie heute gab es schon damals Kommissionäre, die Kaufaufträge von abwesenden Kunden durchführten.

Man begann um 6.25 Uhr mit einem Los "100 ausländische Marken", Ausruf 25 Cents; der Zuschlag erfolgte bei 60 Cents. Das Los Nr. 2 mit der doppelten Anzahl ähnlicher Marken wurde für 90 Cents zugeschlagen. Obwohl nicht gesagt wurde, um welche Marken es sich handelte, kann angenommen werden, dass es klassische Ausgaben der Altdeutschen Staaten waren und das Preisergebnis lächerlich gering ausfiel. 

Bessere Preise erzielten einige Einzelmarken, die bereits damals als "selten" bezeichnet wurden: Ganze 2 Dollar wurden für die beiden Dreieckmarken von Kap der Guten Hoffnung (die sogen. "Holzschnitf'-Ausgabe) bezahlt; ihr Katalogwert beträgt heute £ 5'000.-. Eine Mauritius Id von 1859 brachte 1.25 Dollar, ein gleiches zweites Stück nur 55 Cents (heutiger Wert £ 750.-). Eine Genf 5 cent. fand für 4 Dollar einen Käufer (heute Fr. 4'500.—), eine Toscana 60 Grazie für 3.12 Dollar (heute Fr. 15'000.-).

Den Höchstpreis — nämlich 11 Dollar — erzielte das Glanzstück der Auktion: eine 5 Cents, 1852, Sandwich Insel (Hawaii), um die sich elf Interessenten bemühten. Der Käufer Mr. J.W. Scott erklärte später, er wäre sogar bis 15 Dollar gegangen; verständlich, da diese Marke heute kaum unter $ 15'000.— zu haben wäre, falls sie je auf den Markt käme.

Nach zweieinhalb Stunden waren alle Lose verkauft. Der Gesamterlös dieser ersten Markenauktion der Welt betrug 500 Dollar - ein Tausendstel der Summe, die diese Marken bei einer heutigen Versteigerung bringen würden. Trotzdem waren nach den Worten des damaligen Berichters Käufer und Verkäufer mit dem Ergebnis der Auktion überaus zufrieden.

© Schweizerische Vereinigung für Postgeschichte / SVPg