Ein Versuch, die Verwendungszeit der Schweizer Kantonalmarken zu bestimmen

Der Originalartikel " ist erschienen in der POSTGESCHICHTE Nummer 12, Seiten 12-15

Alle kantonalen Briefmarken (Zürich, Genf, Basel) wurden am 30. September 1854 offiziell ungültig.

Es schien mir jedoch von Interesse, nach Möglichkeit die wirkliche Laufzeit festzustellen.

Bei einigen Marken geht der "Erste Tag" der Verwendung aus den Archivangaben hervor. Bei anderen kann nur das Studium der Stempel einen Hinweis auf das "früheste Datum" geben.

Ich bin mir vollkommen bewusst, dass die folgenden Angaben etwas einseitig sind, da ich mich auf das mir zugegangene Material beschränken musste. Mit einschliessen konnte ich auch das von den Sammlern bei Ausstellungen gezeigte sowie das in Auktionskatalogen abgebildete Material. Die von den verschiedenen Sammlern in ihren Alben sorgfältig gehüteten Schätze entziehen sich natürlich meiner Kenntnis. Sollte dieser Artikel dazu beitragen, die Kenntnisse zu verbessern und zu erweitern, so wäre damit schon viel getan.

1. KANTON ZÜRICH

Dem Beispiel Grossbritanniens folgend, hat das Postdepartement am 13. August 1842 die Ausgabe von "Frankozettelchen" vorgeschlagen. Am 21. Januar 1843 wird dieser Vorschlag genehmigt. Die Neuregelung der Posttaxen beginnt am 1. März 1843, zur selben Zeit wie die neuen "Marken oder Oblaten zum Aufkleben" zu 4 und 6 Rappen herauskommen. Der Mittwoch der 1. März 1843 ist demzufolge das ideale Ersttagsdatum.

1.1. 4 RAPPEN (ZU-Nr. 1)

  • 19. April 1843: Brief Dr. Forrer, Zürich
  • 14. November 1851: Brief Joachim Bollinger, Stadelhofen (ex-Liechtenstein)

1.2. 6 RAPPEN (ZU-Nr. 2)

  • 2. März 1843: Brief Schmid, Richtenschweil (sie) (befindet sich im Postmuseum)
  • 12. Mai 1851: Brief von Regensberg nach Zürich (Z. 6 entwertet durch PP blau).

2. KANTON GENF

2.1. DOPPELGENF (Halbe Doppelgenf Inbegriffen) (ZU-Nr. 3, 4 L und R)

Durch Dekret des Staatsrats vom 13. September 1843 wird die Zulassung auf den 30. September 1843 festgesetzt. Dies ist demnach das "Ersttagsdatum".

  • 3. November 1843: Brief Wagniere (Objekt 11, Lemanex 1978).
  • 9. September 1854: Brief Waible (Objekt 11, Lemanex 1978).

2.2. KLEINER ADLER (ZU-Nr. 5)

Das Dekret vom 14. März 1845 (gültig ab 1.4.1845) reduziert das Porto für den ganzen Kanton auf 5 Centimes (zulässiges Gewicht l Unze).
Die Rechnung des Lithographen Schmid für die Herstellung des "Kleinen Adlers" ist vom 2. Juni 1845 datiert

  • 22. Juni 1845: Horizontales Paar auf Fragment (ex-Bailly)
  • 10. Juni 1852: Diese Briefe haben dieselbe Abstempelungund die gleiche Stunde! (2 S.)
    • Brief Roulin, Hauptmann (Obj. 11, Lemanex) 
    • Brief de Saussure (Los 28, Versteigerung Walther 1980).

Es existiert ein dritter Brief (ex-Mirabaud) vom Juni 1852, dessen genaues Datum nicht bekannt ist (Offerte Zumstein 113/1934).

2.3. GROSSER ADLER

2.3.1. Grosser Adler/gelbgrün (ZU-Nr. 6)

Gegen September 1846 gehen die Vorräte an Kleinen Adlern langsam zu Ende. Aus einer am 20. November 1846 ausgestellten Faktura des Lithographen Schmid geht hervor, dass am 19. September 1846 eine neue Druckplatte von 100 Marken angefertigt wurde.

  • 20. Dezember 1846: Brief Mirabaud, rue Verdaine (Postmuseum ?)
  • 10. Februar 1854: Brief Badel, Chouilly (Objekt 11, Lemanex 1978).

2.3.2. Grosser Adler/dunkelgrün (ZU-Nr. 7)

Da gegen August 1848 der Vorrat an gelbgrünen Grossen Adlern ausläuft, beauftragt die Postverwaltung die Firma Schmid, einen Neudruck vorzunehmen. Da das gleiche Papier nicht mehr vorhanden ist, wählt Schmid einen etwas dunkleren Ton, jedoch dieselbe Papierqualität. Nach Faktura liefert er am 22. August 1848 SO'OOO Stück "Dunkelgrüne".

  • 16. November 1848: Brief Pierregrosse in Sionnet/Jussy
  • 11. Januar 1854: Brief Gebrüder Blum.

2.4. GANZSACHE UND AUSSCHNITT (ZU-Nr. 07)

Am 27. Februar 1846 gibt die Zeitung "LE FEDERAL" bekannt, das Finanzdepartement habe Umschläge in 3 verschiedenen Grossen herstellen lassen, und zwar mit Aufdruck der Frankierung für den kantonalen Verkehr.

  • 20. März 1846: Brief Baron Bilte-Brach
  • 2 Oktober 1853: Brief Necker-Prevost (ex-Bailly).

2.5. WAADT 4 (ZU-Nr. 9)

Diese Briefmarke gilt für Briefe bis zu 30 Gramm für die Lokalpost (Art. 4 des eidg. Posttaxengesetzes vom 8. Juni 1849). Die Laufzeit beginnt theoretisch am 1. Oktober 1849.
Am 22. Januar 1850 gibt der Direktor des ersten Arrondissements folgendes bekannt: "Die noch nicht v erwendeten 4-CentimesMarken werden den neuen 5-CentimesMarken (neuer Taxwert) gleichgestellt".

  • 22. Oktober 1849: 
    • Brief Perrot-Pourtales, in der Stadt.
    •  Brief de la Rive-Necker, in der Stadt.

Beide Briefe haben denselben Absender und tragen auch denselben Stempel von "8V2 Uhr abends"!

  • 20. August 1852: Brief Suzanne Bourguignon (ex-Bailly).

2.6. WAADT 5 (ZU-Nr. 10)

Durch Anordnung vom 18. Januar 1850 ermächtigt der Bundesrat eine grosse Anzahl von Städten, die reduzierte Lokalposttaxe anzuwenden. Zürich, Genf und Basel sind bereits im Genuss dieses Privilegs.

Durch bundesrätlichen Entscheid vom 26. Dezember 1849 wird der Wechselkurs für 21/! Rappen in Genf auf 5 Centimes festgesetzt.

Der Direktor des ersten Arrondissements gibt dem Publikum am 22. Januar 1850 vom Verkauf der neuen 5-Centimes-Marken Kenntnis.

  • 25. Januar 1850: Brief Munier
  • 1. Juni 1854: Brief Viarmes-Dupont (Obj. 29, Lemanex 1978).

2.7. NEUENBURG (ZU-Nr. 11)

Die Ausgabe dieser Briefmarke hat keinerlei Spuren hinterlassen, weder in den eidgenössischen Postarchiven, noch beim Lithographen Schmid! Es wird ganz allgemein angenommen, dass diese Marke das Genfer Äquivalent der eidgenössischen "Poste locale" (FD 5.10.1850) darstellt.

Nach Adolf Schulze (1877) besass der Sammler Moens ein Exemplar, das am 11. August 1851 entwertet wurde.

  • 13. August 1851: Brief Rigot Vater, Varembe (Obj. l Sionvalex 1982)
  • 12 (?) März 1853: Auf Fragment mit Datumstempel CHENE (Los 1656, Versteigerung Luder 1927)

oder

  • 12. (?).1853 auf Fragment Gustave ?, St. Gervais mit Datumstempel CHENE (Los 1654, Versteigerung Rapp 1980).

3. KANTON BASEL-STADT (ZU-Nr. 8)

Der Regierungsrat des Kantons BaselStadt genehmigt am 10. Januar 1844 einen Rapport des Postausschusses, in dem die Schaffung eines "Frankozettels" vorgeschlagen wird.

Das Protokoll vom 28. Juni 1845 dieses selben Ausschusses sieht eine Reihe von Erleichterungen für den Postdienst vor, sowie das Inkrafttreten des Frankozettels, genauer gesagt der Basler Taube, des "Basler Dybli". Der ideale Ersttag ist der 1.Juli 1845.

  • 7. Juli 1845: im Jahre 1947 in der Zeitung "Basler Taube" erwähntes Dokument.
  • 22. Juli 1852: auf Fragment (ex-Mirabaud) 2 Tauben als Paar zusammengefügt und durch "Franco" in schwarz entwertet. (Los 2528, 117. Versteigerung Mohrmann).

Diese Ausführungen bezwecken, die Altschweiz-Sammler zu veranlassen, in ihren Beständen nach frühen und späten Daten zu suchen.

Der Autor nimmt gerne jegliche Anregung (mit Photokopien belegt) entgegen, um eventuelle Korrekturen in der Bestimmung der Laufzeit einer kantonalen Marke vorzunehmen. Den zukünftigen Korrespondenten sei hiermit im voraus für ihre Bemühungen gedankt.

© Schweizerische Vereinigung für Postgeschichte / SVPg