Die Portofreiheitsmarken der Schweiz von 1911 /27 (II)

Im weiteren wurde auch die FRANCOEtikette (Abb. 4) geschaffen, mit welcher die Freimachung von postamtlichen Sendungen belegt werden konnte. Die Kantons-, Bezirks- und Gemeindeämter sowie die Behörden von öffentlichen Schulen behielten das markenlose Portofreiheitsprivileg.


Abb. 4: Frankozettel zur Freimachung von postamtlichen Sendungen (ZU-Nr. 1)

In bezug auf die Postfreimarken erliess der Bundesrat im Schweizerischen Bundesblatt vom 15. Dezember 1910 ein langes Kreisschreiben an die Kantonsregierungen, welches u.a. die Einführung dieser speziellen Marken bekanntgab. Sie waren vorgesehen zur Abgabe an Institutionen mit echtem Unterstützungscharakter. Der zutreffende Artikel 9 lautet: 
: "Der Bundesrat- ist befugt, im Rahmen eines jährlich von der Bundesversammlung zu bewilligenden Kredites an Anstalten, Gesellschaften und Vereine, welche sich mit Armenunterstützung befassen oder ähnliche wohltätige Zwecke verfolgen, unentgeltlich besonders gekennzeichnete Postwertzeichen (Postfreimarken) für Briefpostsendungen abzugeben. Die Bezeichnung der Anstalten etc. erfolgt durch das Postdepartement. Gegen den Entscheid des Postdepartements steht den Betreffenden der Rekurs an den Bundesrat zu ".

Die Anwendung war allgemein beschränkt auf Post von solchen Stellen an Private und Firmen, nicht aber umgekehrt. Die Schriftstücke durften auch keinen Erwerbs- oder wirtschaftlichen Zwecken dienen. Korrekt gelaufene Briefe oder Karten müssen den Absender tragen, gedruckt oder aufgestempelt. Nur das gewöhnliche Porto konnte mit Freimarken erlegt werden.

Das Markenbild, mit Landeswappen und stilisierten Alpenrosen, entworfen um 1908 von Charles L'Eplattenier, Gewerbeschuldirektor von La Chaux-de-Fonds, ist dasselbe wie bei der Portoausgabe vom 1. September 1910; das Markenbild wurde aber anstatt in grüner Farbe auf weissem Papier (Portomarken) auf einem gräulich-blauen, stumpfen Papier in oliver Farbe gedruckt. Das Zifferfeld zeigt in Rot die Buchstaben P.P. (port payö oder porto pagato) sowie den jeweiligen Frankaturwert an: 2 für Drucksachen (Abb. 5), 5 für Lokalbriefe oder Inlandpostkarten oder 10 für Inlandbriefe. Für allfällige Post ins Ausland hatten die Institutionen reguläre Postwertzeichen zu gebrauchen. Übrigens tragen ja die Postfreimarken, wie die Portomarken, keine Landesbezeichnung und waren deshalb auch aus diesem Grunde für Auslandsendungen gar nicht zugelassen.
Zusätzlich trägt jede Postfreimarke oben eine kleine schwarze Kontrollnummer, d.h. die individuelle Kennzahl, die einer Institution bei Gesuchsbewilligung von der PTT zugesprochen wurde.

Die Postdirektion erliess noch weitere Richtlinien an die institutionellen Benutzer der Postfreimarken. Sie lauten u.a. (Zumstein Handbuch 1924, Seite 237):
"Der an Erziehungsanstalten und Asyle zu bewilligende jährliche Betrag in Portofreiheitsmarken darf Fr. 3.- für jeden Zögling oder Pflegling nicht überschreiten, wobei für die Berechnung des Beitrages für ein Jahr die durchschnittliche Zahl der Pfleglinge oder Zöglinge des vorangegangenen Jahres massgebend ist. Ebenso darf der an Krankenhäuser und Spitäler für ein Jahr zu bewilligende Beitrag Fr. 3. - für jedes Krankenbett nicht übersteigen, wobei auf die Durchschnittszahl der im Vorjahr benutzten Krankenbetten abgestellt wird. Bei Ferienkolonien soll der jährliche Beitrag nicht mehr als 25 Rp. auf jedes Ferienkind betragen. Der nämlichen Anstalt usw. werden jährlich nicht mehr als für Fr. 2000. — Portofreiheitsmarken abgegeben. Bei Anstalten usw. mit Zweigverbindungen findet die Abgabe von Portofreiheitsmarken nur an die Zentralstelle für den Gesamtverkehr statt".

Die Institutionen verloren das Recht auf den Postfreimarkenbezug, wenn sie zu Vermögen kamen oder Beiträge aus Steuergeldern erhielten. Die Überprüfung der Gesuche und nötigenfalls der Rechnungen musste jährlich durch die Kreispostdirektionen vorgenommen werden, anlässlich der Bestellungsaufnahmen, die immer im Herbst erfolgten.

Wie bereits erwähnt lauteten die Vorschriften dahin, dass die Postfreimarken nur für ausgehende Sendungen der Anstalten und Vereine bzw. von deren Vorstandsmitgliedern verwendet werden durften. Ein Schreiben der Post an eine Institution (Akte Nr. 762.91/16) bestätigte dies und führte an, dass daher Freimarken für Antworten usw. von diesen nicht an Private abgegeben werden dürfen. 


Abb. 6: Marke mit Kontrollziffer 395 der Zürcher Kantonalen Liga zur Bekämpfung der Tuberkulose auf Brief des Krankenasyls Borgen, Inhaber der Nummer 342, an die Freiwillige und Einwohnerarmenpflege der Stadt Zürich, Inhaberin der Nummer 336.

Man kann daraus schliessen, dass die Abgabe von Freimarken von einer Institution an eine andere für Rückporto toleriert war. Es sind Briefe bekannt, die Marken einer fremden Institution tragen. Sie können beim systematischen Sammeln nach Nummern und Institutionen etwelche Verwirrung stiften (Abb. 6: Dem Krankenasyl Horgen war die Nummer 342 zugeordnet, der Freiwilligen & Einwohnerarmenpflege Zürich die Nummer 336; verwendet wurde aber eine Marke mit der Nr. 395 der Zürcher kant. Liga zur Bekämpfung der Tuberkulose.). 

Zwischen 1915 und 1921 wurden die Posttaxen angehoben, weshalb zusätzliche Werte von 3 Rp, 15 Rp und 20 Rp ausgegeben wurden. Die erhöhte Drucksachentaxe war es, die die Ausgabe des 3-RpWertes notwendig machte (Versand der Marken an die Institutionen ab November 1915). 1918 und wieder 1921 wurde die Taxe für Inlandbriefe auf 15 Rp bzw. 20 Rp erhöht. Die entsprechenden neuen Marken wurden ab Dezember 1918 resp. ab Januar 1921 versandt. Für Postkarten galt vom 1.1.1918 bis 31.12.1920 ein Tarif von ?!/2 Rp. Eine entsprechende Marke wurde indessen nicht gedruckt; die Institutionen hatten also 8 Rappen aufzukleben (Abb. 7, in POSTGESCHICHTE Nr. 15).

Fortsetzung folgt

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