Neue Erkenntnisse über die Berechnung der 1% NachnahmeProvision bei Briefpost-Nachnahmen über 10 bis 15 Franken und der Scheingebühr in der Zeit vom 1.1.1852 bis 31.7.1860

.... und noch offene Fragen

Bekanntlich berechnete die eidgenössische Bundespost 1% des Nachnahmebetrags als Provision. Ab 1.1.1852 betrug die Mindestgebühr 10 Rappen. Für alle Beträge bis einschließlich 10 Franken waren also 10 Rappen Provision fällig. Aber wie wurde die Provision für Beträge über 10 bis 15 Franken berechnet, zum Beispiel bei einem Betrag von 13 Franken? 1% davon waren 13 Rappen. Wurde die Provision dann auf 15 oder auf 20 Rappen aufgerundet? Anhand von Belegen und den mir bekannten Postverordnungen wird in diesem Artikel versucht, eine Antwort darauf zu finden.


In der Verordnung vom 27.12.1851 ist keine eindeutige Anweisung enthalten, wie die Nachnahme-Provision bei Beträgen über 10 Franken zu runden waren

Für Nachnahmebeträge über 6 Franken musste der Absender für die Ausstellung eines Aufgabescheins eine Gebühr von 5 Rappen bezahlen. Diese war in der Rayon-Zeit in bar zu bezahlen, konnte aber durch Erhöhung des Nachnahmebetrags auf den Empfänger abgewälzt werden, wovon jedoch selten Gebrauch gemacht wurde.

Rayon-Beleg mit 15 Rp. NN-Provision, gerundet auf die nächste 5 Rp.-Stufe


17.1.1852: Frauenfeld - Kreuzungen (Honegger Frühlingsangebot 2020). Die Frankatur von 25 Rp. setzt sich zusammen aus 10 Rp. Briefgebühr für den 2. Briefkreis + 15 Rp. Provision. Die 25 Rp. wurden zum Nachnahmebetrag von 12 Fr. 75 addiert. Der Empfänger musste 13 Fr. zahlen

Rayon-Beleg mit 15 Rp. NN-Provision, gerundet auf die nächste 5 Rp.-Stufe


4.1.1854: Zürich - Bremgarten (290. Corinphila-Auktion Los 7361). Die Frankatur von 25 Rp. setzt sich zusammen aus 10 Rp. Briefgebühr (Faltbrief mit rückseitigem Siegelverschluss, keine Drucksache) für den 2. Briefkreis + 15 Rp. Provision. Die 25 Rp. wurden zum Nachnahmebetrag von 12 Fr. 20 addiert. Der Empfänger musste 12 Fr. 45 zahlen.

Rayon-Beleg mit 15 Rp. NN-Provision gerundet auf die nächste 5 Rp.-Stufe und 5 Rp. Scheingebühr, dem Empfänger belastet


28.1.1853: Oron - Fribourg (Honegger-Katalog 2010). Die Frankatur von 20 Rp. setzt sich zusammen aus 5 Rp. Drucksachengebühr für den 2. Briefkreis + 15 Rp. Provision. Die 20 Rp. und 5 Rp. Scheingebühr (ohne Frankaturzwang) - diese wurde bis 1.10.1858 in der Regel bar bezahlt, konnte jedoch dem Empfänger in Rechnung gestellt werden - wurden zum Nachnahmebetrag von Fr. 12. 89. Der Empfänger musste 13 Fr. 14 zahlen.

Rayon-Beleg mit 15 Rp. NN-Provision ohne Aufschlag zum NN-Betrag


4.3.1854: Thun - Frutigen (243. Corinphila-Auktion Los 8395). Die Frankatur von 25 Rp. setzt sich zusammen aus 10 Rp. Briefgebühr für den 2. Briefkreis +15 Rp. Provision. Die 25 Rp. wurden hier nicht auf den Nachnahmebetrag von 12 Fr. aufgeschlagen

Rayon-Beleg mit 20 Rp. NN-Provision, gerundet auf die nächsten 10 Rp.


2.6.1853: Aarau - Oberendingen (Honegger-Katalog 2011). Die Frankatur von 30 Rp. setzt sich zusammen aus 10 Rp. Briefgebühr für den 2. Briefkreis + 20 Rp. Provision. Die 30 Rp. wurden zum Nachnahmebetrag von 12 Fr. 14 addiert.

Refüsierte Nachnahme mit 20 Rp. NN-Provision. gerundet auf die nächsten 10 Rp. mit Rückporto 10 Rp


20.7.1854: Zofingen - Eggenwil (8. Pilatusmail-Auktion). Die Frankatur von 30 Rp. setzt sich zusammen aus 10 Rp. Briefgebühr für den 2. Briefkreis + 20 Rp. Provision. Die 30 Rp. wurden zum Nachnahmebetrag von 11 Fr. 50 addiert. Der Empfänger hätte 11 Fr. 80 bezahlen müssen. Für die Rücksendung an den Absender wurde erneut die Briefgebühr von 10 Rp. berechnet und unterhalb der 11 Fr. 80 angeschrieben.

Frankierung der Scheingebühr ab 1.10.1858

Eine erhebliche Änderung gab es in der Strubel-Zeit mit der Weisung vom 20. August 1858, gültig ab 1. Oktober 1858. Bei einem Nachnahmebetrag über 6 Fr. musste die Scheingebühr von 5 Rp., die bis dahin in bar entrichtet wurde, zukünftig mit Marken frankiert werden. Dazu gab es eine genaue Vorgabe, wie die einzelnen Gebühren in Form eines Gebührenbaumes zu notieren waren.

Nicht nur das Aufgabepostbüro, das ja grundsätzlich die Frankierung zu prüfen hatte, sondern auch das Empfangspostbüro hatte die Berechnung der Nachnahme-Gebühren zu verifizieren (siehe letzter Absatz in der folgenden Weisung)!

Auch in dieser Weisung gab es keine eindeutige Vorgabe zur Rundung der Nachnahme-Provision!

Strubel-Belege mit 15 Rp. NN-Provision, mit Gebührenbaum und Scheingebühr mit Marken frankiert vom Empfänger bezahlt


6.10.1858: Lugano - Genf (aus Strubel-Handbuch) mit Gebührenbaum 25, 15. 5. Die Frankatur von 45 Rp. setzt sich zusammen aus 25 Rp. Briefgebühr für die 3. Gewichtsstufe im 3. Briefkreis + 15 Rp. Provision + 5 Rp. Scheingebühr. Die 45 Rp. wurden zum Nachnahmebetrag von 14 Fr. 95 addiert. Der Empfänger musste 15 Fr. 40 bezahlen


28.04.1859: Luzern - Bern mit Gebührenbaum 15,15. 5. Die Frankatur von 35 Rp. setzt sich zusammen aus 15 Rp. Briefgebühr für den 3. Briefkreis + 15 Rp. Provision + 5 Rp. Scheingebühr. Die 35 Rp. wurden zum Nachnahmebetrag von 14 Fr. 40 addiert. Der Empfänger musste 14 Fr. 75 zahlen


26.6.1859: Luzern - Adligenswil mit Gebührenbaum 5,15, 5. Die Frankatur von 25 Rp. setzt sich zusammen aus 5 Rp. Briefgebühr für den 1. Briefkreis + 15 Rp. Provision und 5 Rp. Scheingebühr. Die 25 Rp. wurden zum Nachnahmebetrag von 14 Fr. 80 addiert. Der Empfänger musste 15 Fr. 05 bezahlen.


9.7.1859: Flawil - Jonschwil mit Gebührenbaum 15. 5, 5. Die Frankatur von 25 Rp. setzt sich zusammen aus 5 Rp. Briefgebühr für den 1. Briefkreis + 15 Rp. Provision + 5 Rp. Scheingebühr. Die 25 Rp, wurden zum Nachnahmebetrag von 16 Fr. 92 addiert. Der Empfänger musste 17 Fr. 17 zahlen. 
Die berechnete Provision von 15 Rp. betrug weniger als 1% des Nachnahmebetrags, es wurde in diesem Fall auf 15 Rp. abgerundet!

Strubel-Belege mit 15 + 20Rp. NN-Provision ohne Gebührenbaum und Scheingebühr mit Marken frankiert vom Empfänger bezahlt


18.12.1858: Zürich - Geroldswil. Die Frankatur von 30 Rp. setzt sich zusammen aus 10 Rp. Briefgebühr für den 2. Briefkreis + 15 Rp. Provision + 5 Rp. Scheingebühr. Die 30 Rp. wurden zum Nachnahmebetrag von 10 Fr. 80 addiert. Der Empfänger musste 11 Fr. 10 zahlen.

Die Vorschrift, die Gebühren für Porto, Provision und Schein einzeln in Form eines Gebührenbaums aufzuführen, wurde oft nicht befolgt. Vor allem nicht bei Drucksachen, auf denen meist nur die komplette Gebühr aufgeführt wurde.


29.02.1860: Drucksache Zürich - Solothurn (Sammlung R. Bäuml). Die Frankatur von 30 Rp. setzt sich zusammen aus 10 Rp. Drucksachengebühr für den 3. Briefkreis + 15 Rp. Provision + 5 Rp. Scheingebühr. Die 30 Rp. wurden zum Nachnahmebetrag von 14 Fr. 70 addiert. Der Empfänger musste 15 Fr. zahlen


19.01.1860: Bern - Thun: Die Frankatur von 35 Rp. setzt sich zusammen aus 10 Rp. Briefgebühr für den 2. Briefkreis + 20 Rp. Provision + 5 Rp. Scheingebühr. Der Empfänger hätte 15 Fr. 35 zahlen müssen, verweigerte aber die Annahme (siehe Vermerk rechts unten: „wird nicht angenommen"). Die Tarifvorschriften sahen in diesem Fall vor, dass für die Rücksendung an den Absender die Briefgebühr (ohne Provision und evtl. Scheingebühr) erneut zu berechnen war. Deshalb wurde links +10 notiert.

Strubel-Belege mit 20 Rp. NN-Provisionen und vom Absender bezahlte Scheingebühr


24.12.1854: Aarau-Muri (Marchand-Auktion 2011). Die Frankatur von 30 Rp. setzt sich zusammen aus 10 Rp. Briefgebühr für den 2. Briefkreis + 20 Rp. Provision. Die 30 Rp. wurden zum Nachnahmebetrag von 11 Fr. 43 addiert. Der Empfänger musste 11 Fr. 73 zahlen. Der Absender zahlte die 5 Rp. Scheingebühr in bar.


1.3.1855: Bienne - Couvet (Sammlung K.H.Imfeid). Die Frankatur von 30 Rp. setzt sich zusammen aus 10 Rp. Drucksachengebühr für den 3. Briefkreis + 20 Rp. Provision. Die 30 Rp. wurden zum Nachnahmebetrag von 12 Fr. 50 addiert. Der Empfänger musste 12 Fr. 80 zahlen. Der Absender zahlte die 5 Rp. Scheingebühr in bar.


5.9.1858: Wohlen - Werd bei Lunkhofen (Sammlung M. Huzanic). Die Frankatur von 30 Rp. setzt sich zusammen aus 10 Rp. Briefgebühr für den 2. Briefkreis + 20 Rp. Provision. Die 30 Rp. wurden zum Nachnahmebetrag von 13 Fr. addiert. Der Empfänger musste 13 Fr. 30 zahlen. Die 5 Rp. Scheingebühr wurden vom Absender bar bezahlt, denn erst 3 Wochen später (ab 1.10.1858) war die Frankierung der Scheingebühr vorgeschrieben

Beispiele Gebührenzusammensetzung - nicht eindeuti


15.12.1854: Aigle - Bex (Sammlung A.Farnow), Nachnahmebetrag 11 Fr. 75 Die Frankatur von 35 Rp. lässt zwei Deutungen zu: 1.) 15 Rp. für 3. Gewichtsstufe im 1. Briefkreis + 20 Rp. Provision ode r 2.) 20 Rp. für 4. Gewichtsstufe im 1. Briefkreis + 15 Rp. Provision


26.3.1857: Grüningen - Hinwil (212. Corinphila-Auktion Los 4171). Die Frankatur von 15 Rp. lässt zwei Deutungen zu: 1.) portofreier Amtsbrief, nur die Provision von 15 Rp. frankiert ode r 2.) 5 Rp. Briefgebühr für den 1. Briefkreis +10 Rp. Provison (abgerundet) Die 15 Rp. wurden zum Nachnahmebetrag von 12 Fr. 10 addiert. Der Empfänger musste 12 Fr. 25 zahlen..

Beispiele von abgerundeten NN-Provisionen


10.3.1852: Delemont - Romont (243. Corinphila-Auktion Los 8475). Laut Attest ist es ein Faltbrief, keine Drucksache. Die Frankatur von 25 Rp. setzt sich zusammen aus 15 Rp. Briefgebühr für den 3. Briefkreis + 10 Rp. Provision (abgerundet!). Die 25 Rp. wurden zum Nachnahmebetrag von 10 Fr. 65 addiert. Der Empfänger musste 10 Fr. 90 zahlen.


31.1.1856: Monthey - Vouvry (Sammlung Valesia). Es handelt sich um einen portofreien Amtsbrief des Präfekten von Monthey. Nur die Provision musste frankiert werden. Obwohl der Nachnahmebetrag 23 Fr. 15 betrug, wurden nur 20 Rp. Provision (abgerundet!) angesetzt und aufaddiert zu 23 Fr. 35, die der Empfänger zahlen musst

Bei den Inlands-Gebühren-Varianten, die Urs Hermann im Postgeschichte-Heft Nr. 100 und in dem Großen Strubel-Handbuch aufgeführt hat, sind bei einem Nachnahmebetrag über 10 bis 20 Franken als Nachnahme-Provision immer 20 Rp. aufgeführt (keine Differenzierung für Beträge über 10 bis 15 Franken). Auch von anderen StrubelSammlern hatte ich immer gehört, dass die Nachnahme-Provision auf die nächste 10erStufe zu runden war.

Eine entsprechende Anweisung zur Aufrundung auf die nächste IQer-Stufe ist aber erst in der Verordnung vom 27. April 1860, gültig ab 1. August 1860 enthalten.

Vorläufiges Fazit:

Bei einer Rundung auf die nächsten 5 Rp. 

  • - beträgt bei 10 der gezeigten Belege die Provision eindeutig 15 Rp. 
  • - beträgt bei 6 der gezeigten Belege die Provision eindeutig 20 Rp.

Anscheinend gab es aufgrund fehlender Vorgabe bis 31.7.1860 einen gewissen Spielraum, die Nachnahme-Provision auf die nächste 5er-Stufe auf- oder abzurunden.

Wenn Sie eine konkrete Verordnung kennen, die diese Theorie festigen oder auch widerlegen kann, so wäre ich für eine entsprechende Info mit Scans sehr dankbar.

Auch über Scans von Strubel-Belegen mit einem Nachnahmebetrag über 10 bis 15 Franken würde ich mich freuen. Besonders interessieren würde mich ein Strubel-Brief aus der Zeit 1.10.1858 - 31.7.1860 mit einem Gebührenbaum, in dem eine Provision von 20 Rp. (bei einem Nachnahmebetrag über 10 bis 15 Franken) notiert ist. So etwas habe ich bisher nicht gesehen. (E-mail: bruno.juergens@web.de).

 

Einen herzlichen Dank richte ich an meine Sammlerfreunde für die Scans ihrer Belege und die Diskussionen zu dem Thema. Ohne Euch wäre dieser Beitrag nicht möglich gewesen!

Literatur: 

  • - Postgeschichte Heft Nr. 100 
  • - Grosses Strubel-Handbuch von Urs Hermann 
  • - Schweizerische Postamtsblätter 1849-1862 von Robert Fürbeth 
  • - Angebote und Kataloge der Honegger Philatelie AG 
  • - Auktionskataloge der Firmen Bach, Corinphila, Marchand 
  • - Belege ohne Quellenangabe stammen aus der Sammlung des Autors