Polarflieger W. Mittelholzer (Spitzbergen)

Walter  Mittelholzer ist allen als Pionier-Flieger in der Schweiz, dem Mittelmeer und als Langstreckenflieger in Afrika bekannt. Von diesen Unternehmen existieren
auch zahlreiche aerophilatelistische Belege.

Nur wenige Piloten verfügten wie er neben dem grossen fliegerischen Können auch über hervorragende Kenntnisse im Klettern und im alpinen Skilauf. Mittelholzer war dazu noch ein ausgezeichneter Fotograf, Filmoperateur und Kartograph. Er war auch einer der ersten Piloten, der die Landung und den Start von Flugzeugen mit Kufen (Skiern) in unsern Alpen ausprobierte. 1920 musste er wegen eines Motordefektes im dichten Nebel eine Bruchlandung in den Glarner-Alpen vornehmen. Es ist seiner ausgezeichneten sportlichen Kondition zuzuschreiben, dass er trotz einer Kniefraktur und 36 Stunden Fussmarsch sich ganz allein in das Tal hinunter arbeiten konnte. Hier das Foto eines weiteren solchen Zwischenfalles (Abb.).

Auf Grund dieser hervorragenden fliegerischen Kenntnisse in Schnee, Eis und der alpinen Bergwelt war es kein Zufall, dass die Junker-Werke am 9.6.1923 Walter Mittelholzer bei einer Zwischenlandung in Berlin, auf seinem Fluge über Danzig nach Riga, anhielten und ihn darum baten, an einer Hilfsexpedition für Roald Amundsen teilzunehmen. Eine Junkermaschine sollte dem von Alaska startenden Polarflieger von Spitzbergen entgegen fliegen, im Packeis Proviant- und Treibstoff-Depots errichten und Amundsen am 21.6. am Rande des Packeises erwarten oder ihm eventuell zu Hilfe kommen. Mittelholzer war sofort begeistert für diese Aufgabe und liess alle seine privaten Pläne fallen. Er kaufte sich am gleichen Nachmittag (einem Samstag!), noch die nötige Polarausrüstung (Anorak, Skis, Schlafsack, Seil, Pickel etc.) und eine grosse Fotoausrüstung zusammen. Er freute sich auch sehr darauf, an dieser Expedition gemeinsam mit dem berühmten Polarforscher Professor Wegener teilnehmen zu können. Nach einigen Abenteuern kam die Expedition schliesslich nach Bergen, wo der Junker Metalleindecker-Typ J 13 D 260 „Eisvogel" mit einem 185 PS BMW-Motor, ein sehr bewährtes Wasserflugzeug, auf einen Dampfer verladen wurde. Als sie im Begriffe waren, den Polarzirkel zu überfahren (66° 33') traf am 21.6.1923 ein Telegramm von Amundsen aus Alaska ein, in dem er mitteilte, dass der beabsichtigte Polarflug nicht stattfinden könne. Bei einem Probeflug war das zu schwache Fahrgestell über den Schneekufen zusammengebrochen. Es war wohl dies ein Glück für Amundsen, denn wie sich später herausstellte, hätte der Brennstoff, den das Flugzeug fassen konnte, für den transpolaren Flug gar nicht ausgereicht. Die damals schon fertig gedruckten und verkauften Polarflugkarten wurden dann später, 1925, für den Flug Amundsens mit Ellsworth von Kingsbay nach Spitzbergen verwendet und ein kleiner Teil auch noch für den Flug Amundsens mit Nobile 1926 mit dem Zeppelin "Norge" aus Italien.

Die Hilfsexpedition der Junker-Werke entschloss sich, nachdem diese Nachricht eingetroffen war, trotzdem in Spitzbergen zu landen und erreichte am 3.7. auf dem Dampfer Green Harbour, den Bezirk der Kohlengruben im Eisfjord. Pilot Neumann, Lt. Löwe als Navigator und Mittelholzer als Fotograf, Kartograph und Reservepilot übernahmen die Aufgabe, die bestehenden geografischen Karten von Spitzbergen durch neue exakte kartographische Aufnahmen auf Flügen durch Spitzbergen zu verbessern. Am 6.7.1923 starteten sie zum ersten Flug, dem bis zum 15.7. fünf weitere folgten. Es gelang Mittelholzer so zum ersten Mal, aus dem Flugzeug den Grossteil von Spitzbergen kartographisch exakt zu erfassen und zu vermessen, der längste Flug führte in 6 Std. 40 Min. über den 80. nördlichen Breitengrad hinaus bis zur Walfischinsel und zum Nordostland! - Leider erzwang ein Defekt im Magnet am 15.7.1923 die Rückkehr der Expedition von Spitzbergen. So konnte der beabsichtigte Flug über das Packeis bis zum 85. nördlichen Breitengrad nicht mehr durchgeführt werden.

Interessant ist es, wie Mittelholzer schon damals dank seiner grossen Erfahrung die Zukunft der Polarflüge vorausgesehen hat, schreibt er doch in seinem Buch:

„Solange wir noch keine Flugzeuge besitzen mit absolut zuverlässigen Motoren, wird die Überfliegung weiter Strecken der Arktis, im speziellen aber der Flug von Alaska nach Europa, eine "sporting-chance" bleiben, bis es möglich sein wird, in einem Grossflugzeug alle nur möglichen Hilfsmittel für einen eventuellen Rückzug aus dem Eis mitführen zu können. Mit einem Luftschiff, sagen wir mit einem Zeppelinkreuzer, sind die Aussichten wesentlich günstiger, obwohl ein Flugzeug in bezug auf grössere Reisegeschwindigkeit im Vorteil wäre."

Admiral Byrd gelang es dann 1925, den Nordpol in West-Ost-Richtung als Erster zu überfliegen. Amundsen erreichte von Spitzbergen aus wenig später im gleichen Jahr ebenfalls den Nordpol. 1926 folgte dann der grossartige Flug der "Norge" unter Nobiles Führung; unter seinen Passagieren befanden sich Amundsen, Ellsworth und viele Andere. Die Fahrt führte von Kingsbay (Spitzbergen) nach Nome (Alaska): eine auch heute noch grossartige Leistung!

Diese drei Expeditionen führten philatelistische Belege mit. Leider hatte unser Landsmann Walter Mittelholzer kein eigentliches philatelistisches Interesse, sodass von dieser Spitzbergen-Expedition meines Wissens keinerlei philatelistische Belege existieren. Bei den späteren Afrikaflügen waren es mehr die Organisatoren dieser Flüge, die an die Mitnahme von Flugbelegen dachten, damit ein Teü der finanziellen Kosten gedeckt werden konnte. Auch dem bekannten Mittelholzer-Sammler und Aerophilatelisten Schweizer f waren, wie er mir persönlich mitteilte, keinerlei Belege von Spitzbergen bekannt, obschon man annehmen sollte, dass vielleicht irgendwo noch ein Kartengruss auf seinen Entdecker wartet. — Sollte einer der Leser einen solchen Beleg kennen oder auffinden, so wäre ich für eine kurze Mitteilung sehr dankbar.

Hier müssen wir nur festhalten, dass Walter Mittelholzer zusammen mit dem Hamburger Piloten Neumann der erste war, der schon 1923 als Pionierflieger in der Arktis kartographische Vermessungen von Spitzbergen aus dem Flugzeug durchführte.

Literatur:      W. Mittelholzer: „Im Flugzeug dem Nordpol entgegen". Orell-Füssli Verlag, Zürich und Leipzig 1925.

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